Reijo Koskelo
Dr. phil., Mag. Gesundheitslehre, Forscher
26.9.2008
Einleitung
Es ist bekannt, dass die Verteilung der Sitzdrücke im Körper auf verschiedenen Sitzgelegenheiten stark abweicht. Referenzwerte für Drücke, die für den Menschen schädlich sind, sind dennoch nicht verfügbar. Aufgrund der fehlenden Referenzwerte kann die Schädlichkeit nur durch die subjektive Erfahrung der sitzenden Person und eventuelles Unbehagen bestimmt werden. Sitzdrücke wirken sich auf die Sitzhaltung des Menschen aus, da man dem unkomfortablen Druck ausweichen möchte. Der Sitz kann so geformt werden, dass eine natürliche Sitzhaltung möglichst wenig Druck auslöst.
In mehreren Untersuchungen wurde belegt, dass bei männlichen Radsportlern Schädigungen der Genitalgesundheit auftreten. Diese Phänomene scheinen auch dann aufzutreten, wenn männliche Nutzer lange Zeit über in einer Vollzeitbeschäftigung auf bestimmten Typen von Sattelstühlen sitzen.
Beim Sitzen auf einem normalen Stuhl wird auf die Hüfte Druck ausgeübt, welcher bei langer Dauer im Allgemeinen zu einem Taubheitsgefühl Weichgewebe führt. Sitzt man auf einem Sattelstuhl auf den Gesäßknochen, wird dies gemildert. Wahrscheinlich neigen Männer auch beim Sitzen auf normalen Stühlen unbewusst ihre Hüfte nach hinten neigen, um den Druck auf den empfindlichen Genitalbereich zu senken. Beim Sitzen auf einem Sattelstuhl ohne Mittelspalte wird auf die Peniswurzel dennoch ein spürbar unbehaglicher Druck ausgeübt, der unter einigen Bedingungen auch zu Erektionsstörungen führen kann. Auf einem Sattelstuhl mit Mittelspalte wird kein solcher Druck auf den Penis ausgeübt.
Bei Frauen können Slipeinlagen, enge Unterhosen und langes Sitzen die Temperatur im Genitalbereich erhöhen, wodurch er aufgrund des niedrigen Luftaustauschs feucht wird. Beim Sitzen auf einem Sattelstuhl mit Mittelspalte befindet sich der Genitalbereich über der Spalte und erhält mehr Luft, wodurch das Infektionsrisiko abnimmt.
Wenn sich die Oberschenkel, aus der Waagerechten schräg nach unten gemessen, einen Winkel von 45 Grad formten, stand die Hüfte der meisten Testpersonen ähnlich wie im Stehen aufrecht und der Rücken bildete eine natürliche S-Stellung (Lendenlordose und Oberrückenbogen, Kyphose), ohne dass die Rücken- und Lendenmuskulatur aktiv mitarbeitete.
Methoden
Das Ziel der Untersuchung bestand im Test dreier verschiedener Stuhlmodelle: Salli MultiAdjuster, Salli Classic und Bambach. Hierbei sollte die durch diese Stühle hervorgerufene Druckstärke und deren Verteilung auf die Oberschenkel, das Gesäß und die Genitalien verglichen werden.
Salli MultiAdjuster (Hersteller Salli Systems, Finnland)
- Höheneinstellung mit Gasfeder
- Breiten- und Neigungseinstellung des Sitzes
- Gesamtgewicht des Stuhls 13 kg
- zweigeteilter Sitz, Sitzbreite einstellbar
Salli Classic (Hersteller Salli Systems, Finnland)
- Höheneinstellung mit Gasfeder
- Neigungseinstellung des Sitzes
- Gesamtgewicht des Stuhls 12 kg
- einteiliger Sitz
Bambach (Hersteller Bambach, Australien)
- Höheneinstellung mit Gasfeder
- Neigungseinstellung des Sitzes
- Gesamtgewicht des Stuhls 7,8 kg
- einteiliger Sitz
Für die Messung wurde die Neigung für alle Probanden gleich, die Stuhlhöhe jedoch individuell nach der Körpergröße eingestellt.
Die Probanden befanden sich auf allen Stühlen in derselben Position. Der Schenkelwinkel betrug 90 Grad. Es wurde versucht, bei allen Testpersonen dieselbe Lendenlordose zu bilden. Zur Unterstützung der Standardisierung wurden ein Winkelgradmessegerät (Oberschenkelwinkel) und ein Citrometer (für die Lendenlordose) verwendet.
Testpersonen
An den Messungen nahmen 10 freiwillige gesunde Testpersonen teil, 5 Frauen und 5 Männer. Die Probanden waren zwischen 20–60 Jahren alt. Die durchschnittliche Größe der Frauen betrug 164,4 cm und das Gewicht 55,8 kg. Die durchschnittliche Größe der Männer betrug 175 cm und das Gewicht 79,2 kg.
Tabelle 1. Länge und Gewicht der Probanden, n=10 (Frauen 105, Männer 6–10)
Nummer der Probanden | Länge cm | Gewicht kg | |
1 | 164 | 52 | |
2 | 164 | 56 | |
3 | 167 | 58 | |
4 | 175 | 63 | |
5 | 162 | 50 | |
6 | 173 | 80 | |
7 | 176 | 78 | |
8 | 170 | 78 | |
9 | 170 | 73 | |
10 | 186 | 87 |
Messinstrument
Für die subjektive Befragung (Eigenbefinden) wurde eine Werteskala von 0-10 verwendet, wobei (0) die schlechtest mögliche Empfindung und (10) die bestmögliche Empfindung bedeutete.
Für die Messung des Sitzdrucks wurde eine Tekscan-Druckmatte verwendet (Fabrikant Tekscan Inc., USA), welche die Verteilung des Sitzdruckes einer Person auf die Genitalien, das Gesäß und die Oberschenkel gemessen hat.
Ergebnisse
Tabelle 2. Subjektive Bewertungen der Probanden n=10 (5 Frauen 1–5, Männer 6–10) über ihre Erfahrung auf den Stühlen Bambach, Salli Classic und Salli MultiAdjuster.
Nummer der Probanden | Bambach | Salli Classic | Salli MultiAdjuster |
1 | 4 | 8 | 9 |
2 | 1 | 5 | 9.5 |
3 | 8 | 9 | 7 |
4 | 5 | 6 | 9 |
5 | 5 | 7 | 9 |
6 | 1 | 7 | 9 |
7 | 4 | 5 | 9 |
8 | 6 | 7 | 9 |
9 | 7 | 7 | 9 |
10 | 2 | 5 | 8 |
Subjektive Bewertung der Probanden (Durchschnittswert) zu den Stühlen (0–10):
Frauen (Durchschnittswert): Salli MultiAdjuster 8,7; Salli Classic 7,0; Bambach 4,6
Männer (Durchschnittswert): Salli MultiAdjuster 8,8; Salli Classic 6,2; Bambach 4,0
Sowohl die Frauen (8,7) als auch die Männer (8,8) bewerteten das Stuhlmodell Salli MultiAdjuster deutlich am besten. Den zweiten Platz belegte der Salli Classic: (Frauen 7,0) und (Männer 6,2). Am schwächsten schnitt bei den Probanden der Bambach ab: (Frauen 4,6) und Männer (4,0).
Vergleich der Druckstärke im Bereich des Gesäßes, der Genitalien und der Oberschenkel
Die bewerteten Stühle hatten einheitlich große Sitze.
Der Salli MultiAdjuster verfügt über einen zweigeteilten Sitz. Der Druck erreichte den Genitalbereich überhaupt nicht und die Oberschenkelrückseite nur leicht. Der Druck verteilte sich fast ausschließlich auf die Gesäßknochen.
Der Salli Classic ist ein einteiliger Sitz. Der Druck des Sitzteiles traf auf den Genitalbereich und die Gesäßknochen auf. Ein leichter Druck wurde auf die Oberschenkelrückseiten ausgeübt.
Der Druck des Bambach-Sitzes traf auf den Genitalbereich und die Oberschenkelrückseiten auf.
Erörterung
Im Beratungsgespräch dieser Studie wurde vor dem Ausfüllen der Fragebögen sichergestellt, dass die Probanden das Formular verstehen. Die Probanden füllten das Bewertungsformular jeweils nach dem jeweiligen Stuhltest aus und markierten die Subjektivität der Angaben.
Der Bambach-Sattelstuhl wurde von den Probanden am unbequemsten bewertet. Hier wurde ein starker Druck auf den Genitalbereich und die Oberschenkel ausgeübt.
Der auf die Oberschenkel auftreffende Druck war beim Salli Classic geringer als auf dem Bambach. Der Druck auf den männlichen Schambeinbereich war jedoch deutlich stärker als beim Salli MultiAdjuster und führte zu Unbehaglichkeiten. Der Salli Classic ist aufgrund der unterschiedlichen Anatomie der Genitalien besser für Frauen geeignet.
Laut der Untersuchung empfanden die Testpersonen das Sitzen auf dem Salli MultiAdjuster am komfortabelsten. Beim Sitzen auf dem zweigeteilten Sitz des Salli MultiAdjusters ist der auf den Genitalbereich auftreffende Druck am geringsten oder gar nicht vorhanden.
Wurde dennoch ein Druck darauf ausgeübt, so war dies zum größten Teil auf spannende Kleidung zurückzuführen. Die Druckmessungen deuten darauf hin, dass die Blutzirkulation und die Nervenfunktionen im unteren Beckenbereich auf diesem Stuhlmodell nicht gestört zu werden. Auch auf die Oberschenkelrückseiten wurde im Vergleich zum Salli Classic und zum Bambach der geringste Druck ausgeübt. Das Sitzen auf einem Sattelstuhl mit Mittelspalte scheint einen Oberschenkelwinkel von 45 Grad, aus der Waagerechten schräg nach unten betrachtet, zu ermöglichen, ohne dass Druck auf den Genitalbereich ausgeübt wird. Eine gute Haltung ist gewährleistet.
Die Temperatur der männlichen Hoden kann beim Sitzen auf einem normalen Stuhl auf 37°C ansteigen. Beim Sitzen auf einem Sattelstuhl mit Mittelspalte werden die Hoden auf die optimale Temperatur von 33–34 Grad belüftet (Quelle 1). Die Mittelspalte sorgt demnach offensichtlich für die wichtige Belüftung des Genitalbereiches und stärkt somit die Genitalgesundheit.
Beim Sitzen auf einem Sattelstuhl ohne Mittelspalte wird auf die Peniswurzel Druck ausgeübt, welcher die Nerven und Blutgefäße in diesem Bereich stören und beschädigen kann. Hinsichtlich des Drucks auf den Penis und damit verbundenen Erektionsstörungen wurden in den letzten 18 Jahren 14 Studien an Radsportlern durchgeführt. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass mehr als 3 Stunden Radfahren pro Woche ein beträchtliches Risiko für Erektionsstörungen darstellt (Quellen 2–4).
Bei Frauen kann das lange Sitzen auf einem einteiligen Sattelstuhl zur Steigerung der Temperatur und Feuchtigkeit im Genitalbereich führen und auch das Infektionsrisiko steigern. Beim Sitzen auf einem Salli MultiAdjuster mit Spalte wird der Genitalbereich belüftet und das Infektionsrisiko verringert.
Das Sitzen auf einem Sattelstuhl mit Spalte ermöglicht die Vorwärtsneigung des Beckens, ohne dass Druck auf das Schambein oder die Genitalien ausgeübt wird. Aufgrund dessen bleibt die natürliche Lendenlordose des Rückens während des Sitzens stets aufrechterhalten.
Als Konsequenz kann festgestellt werden, dass das Sitzen auf einem Salli MultiAdjuster mit Mittelspalte die Vorwärtsneigung des Beckens auf diesen drei Stühlen am besten ermöglicht, ohne dass Druck auf das Schambein oder die Genitalien ausgeübt wird. Aus diesem Grund kann die natürliche Rückenkrümmung und die gesamte Rückenhaltung beim Sitzen leicht aufrecht erhalten werden.
Quellen
- Erilaisten työistuinten vaikutus miesten kivesten lämpötilaan, Reijo Koskelo, Osmo Hänninen, Kuopion Yliopisto, 1999
- Only the nose knows: penile hemodynamic study of the perineum -saddle interface in men with erectile dysfunction utilizing bicycle saddles and seats with and without nose extensions. Ricardo Munarriz, Vincent Huang, Jayant Uberoi, Scott Maitland, Terry Payton, Irwin Goldstein, Institute for Sexual Medicine, Boston University, J Sex Med 2005
- Bicycle Riding and erectile dysfunction: an increase in interest (and concern), Vincent Huang, Ricardo Munarriz, Irwin Goldstein, Institute for Sexual Medicine, Boston University, J Sex Med 2005